Rechtschreibreform: Aktuell
Extraseite: Antwort der Schulministerin NRW auf eine Bürgerbeschwerde
Die Schulministerin in Düsseldorf läßt einem Bürger ihres Bundeslandes, der sich über das sture Festhalten an der "Rechtschreibreform" beschwert hatte, unter dem Datum "September 2004" u. a. mitteilen:
Die Neuregelung der deutschen Rechtschreibung beruht auf einer Vereinbarung, die mit den anderen Bundesländern, der Bundesregierung und internationalen Partnern getroffen wurde. [...] Zur Einhaltung dieser Vereinbarung besteht für alle Bundesländer eine Verpflichtung. |
Das ist wider besseres Wissen falsch, richtig ist:
- Zu einer allgemeinen Neuregelung der "deutschen Rechtschreibung" ist niemand berechtigt, eine "Rechtschreibreform" ist, wie das Bundesverfassungsgericht bestimmt hat, "auf den Bereich der Schulen beschränkt", also auf die Schulschreibung.
- Eine verpflichtende Vereinbarung existiert nicht: Mit dem Ausland besteht bezüglich der "RSR" kein völkerrechtlich bindender Vertrag, und jedes einzelne Bundesland hat Kulturhoheit: Die Beschlüsse der Kultusminister-Konferenz (KMK) sind als reine Willensbekundungen nicht bindend, und das Abkommen über das Sekretariat der KMK mit seinem Einstimmigkeitsprinzip ist jederzeit kündbar. Als das Land Schleswig-Holstein die "RSR" nach dem Volksentscheid 1998 für ein Jahr zurücknahm, war dies legal und wäre es auch weiter, wenn der Landtag ihn 1999 nicht gekippt hätte.
Zu der Gesamtbewertung der Neuregelung der deutschen Rechtschreibung ist festzuhalten, dass sie an den Schulen in Nordrhein-Westfalen und bundesweit mit Erfolg umgesetzt wird. In einer Reihe von Erhebung und Umfragen besonders umfangreich in Österreich, Bayern, Brandenburg, Hessen, Mecklenburg-Vorpommern haben die Lehrkräfte jeweils mit deutlicher Mehrheit eine positive Beurteilung vorgenommen. |
Auch das ist Unsinn und irrelevant, denn repräsentative, wissenschaftlich valide "Erhebungen und Umfragen" seitens der Kultusministerien sind nie veröffentlicht worden es gibt sie schlicht nicht:
- Bislang wurde nur eine einzige wissenschaftliche Langzeitstudie bekannt nämlich von der Universität Leipzig und diese belegt eine Verschlechterung der Rechtschreibleistung.
- Der Sinn der Rechtschreibung besteht vorrangig in der leichten Lesbarkeit bzw. Verständlichkeit, weniger in einer leichten Zwangsvermittlung bzw. Erlernbarkeit.
- Erwartet die Ministerin etwa, eine Mehrheit der Lehrer würde zugeben, daß ihre Bemühungen zur Vermittlung von Unterrichtsstoff nicht erfolgreich waren?
- Die Umsetzung wäre auch "erfolgreich" gewesen, wenn man den Kindern beigebracht hätte, die Erde sei eine Scheibe: Kinder haben weder das Wissen noch die Macht, sich gegen so etwas zu wehren. Wird demnächst eine Steuer damit begründet, daß sie "bundesweit mit Erfolg umgesetzt wird"?
Dieser [der vierte Bericht der Zwischenstaatl. Kommission] formuliert Regelpräzisierungen insbesondere im Bereich der Getrennt- und Zusammenschreibung und lässt in einigen Fällen Variantenschreibweisen wieder zu. So soll zum Beispiel neben "Leid tun" auch die Variante "leidtun" weiterhin möglich sein. |
Wenn diese Falschaussagen nicht gelogen sind, dann belegen sie die Legasthenie der Ministerin:
- Daß Variantenschreibweisen "wieder" (!) zugelassen würden, ist Unsinn: In den betreffenden Fällen hat es sie zuvor gar nicht gegeben.
- Daß neben Leid tun auch die Variante leidtun "weiterhin" (!) möglich sei, widerlegt ein Blick in die alte, 20. Auflage des Dudens: Korrekt schrieb und schreibt man "leid tun" also getrennt.
- Insbesondere bei der verordneten Getrennt- und Zusammenschreibung geht es wissenschaftlich gar nicht um Schreib-"Varianten" (also Homographe), sondern um verschiedene Wörter unterschiedlicher Bedeutung; Beispiele: vielversprechend viel versprechend, wohlbekannt wohl bekannt etc.