Dies ist der Wortlaut des Schreibens der neuen Literaturnobelpreisträgerin Elfriede Jelinek ihre Kollegen von der "Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung":
Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, wie zu hören und zu lesen ist, wollen die deutschen Unterrichtsminister uns einbinden. Sie wollen die Kritiker der Rechtschreibreform, also uns, oder doch jedenfalls die allermeisten von uns, einwickeln, indem sie uns Sitz und Stimme geben. Gleich zwei sogar der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung, weil die so freundlich gewesen ist, einen Kompromißvorschlag auszuarbeiten. Wobei der Vorschlag selbst die Minister überhaupt nicht interessiert hat, bloß das Zuvorkommen, das darin lag, ihn zu unterbreiten. Der Herr Blüml soll also abtreten, unser Wiener Stadtschulhofrat, der seine Reform, die ihren Namen nicht verdient, mit der These verteidigte, daß Rechtschreibung nichts mit Sprache zu tun habe. Abtreten soll die im zwischen den Staaten liegenden Niemandsland dieser orthographielosen Sprache wirkende Kommission, der er vorstand. Und an die Stelle der Zwischenstaatlichen Kommission soll ein neues Gremium treten, ein Rat für deutsche Rechtschreibung. Das ist alles so sinnlos wie der Vorgang, um den es geht. Die deutsche Sprache hatte keine Rechtschreibreform nötig, schon gar nicht diese vollständig mißratene, und sie braucht auch keine Schriftsprachkammer, die den Kultuswarten der Länderregierungen unverbindliche Vorschläge zur behutsamen Anpassung des von seinen Autoren (hier tatsächlich getrennt zu schreiben:) so genannten amtlichen Regelwerks an die grammatische Realität macht. Und wir können, wir dürfen uns an dieser bürokratischen Anmaßung nicht beteiligen, weil die Einladung an uns nur dazu dient, uns und unsere Vereinigungen zu kompromittieren. Wir, jedenfalls die allermeisten von uns, sind keine Mitmacher dieser Reform. Wir sind nicht irgendwelchen Autoritäten, die uns etwas "vorschreiben" wollen, hörig, und wir sind auch nicht auf Kompromißsuche. Zweitbeste Lösungen sind nicht unsere Sache, weil wir Perfektionisten der Sprache sind. Deshalb möchte ich Sie bitten, das Angebot der Minister auszuschlagen. Mit freundlichen Grüßen Elfriede Jelinek |
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