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FOCUS online: Universitätsprofessorin "pfeift" auf Markus Söders Verbot (10.04.2024)
Susan Arndt ist Professorin für Anglophone Literaturen an der Universität Bayreuth und Kolumnistin auf Focus online. Unter der Überschrift "Söder will mir das Gendern verbieten – warum ich als Professorin darauf pfeife" schreibt (bzw. "pfeift") sie eine Kolumne mit diesem Einlauftext:
Kommentar: Mag sein, daß Marcus Söders "Verbot" der professoralen Psyche von Frau Arndt so großes Leid verursacht hat, daß sie nun "Strafe" fürchtet; vielleicht aber war's keine Freudsche Fehlleistung, sondern schlicht mangels Konzentration eine Verwechslung mit einem ähnlich klingenden Wort, der Sprache. Kritikwürdig ist eher die perfide Verwendung des Attributs geschlechtergerecht: Wenn es eine solche Sprache tatsächlich gäbe, dann wäre sie die Sprache, die wir alle seit unserem zweiten Lebensjahr sprechen. Wie nicht anders zu erwarten, bleibt es nicht bei diesem einen Framing (wie diese Manipulationstechnik genannt wird), einige weitere aus dem Folgetext werden kurz beleuchtet:
Die deutsche Sprache ermöglicht es, bei Substantiven oder Pronomen zwischen der männlichen oder weiblichen Form zu wählen. Dennoch galt viele Jahrhunderte lang, dass die männliche Form auch für Frauen stehe. Das ist mit dem so genannten generischen Maskulinum gemeint. Dieses stammt aus einer Zeit, in der Männer als Macher der Gesellschaft das Sagen und als familiäres Oberhaupt das Letztentscheidungsrecht hatten.
- Die aus Ideologie, Naivität oder/und Dummheit geborene Grundthese des Sprachfeminismus ist die Gleichsetzung des sprachlichen Genus mit dem biologischen Geschlecht. Daß dies Unsinn ist, ergibt sich bereits aus den drei Genera (Maskulinum, Femininum, Neutrum), denen zwei biologische Geschlechter jener Lebewesen gegenüberstehen, die sich sexuell fortpflanzen. Was lag also näher, als das überzählige dritte Genus, das Neutrum, als angeblich unwählbare Form wegzulassen? Das Mädchen, Mitglied, Model etc. stört nur.
- Nicht die "männliche Form" galt "auch für Frauen", vielmehr standen alle Personenbezeichnungen unabhängig von ihrem jeweiligen Genus für alle Menschen unabhängig von ihrem jeweiligen Geschlecht: der Handwerker, die (Fußball-)Legende, das Kind, der Vormund, die Person etc. Unter einem Müller, Vogt etc. stellte man sich einen Mann nicht aufgrund der Sprache bzw. des Genus vor, sondern schlicht aufgrung der jahrhundertelang herrschenden sozialen Verhältnisse.
- Das "generische Maskulinum" stammt ebenso aus einer patriarchalischen Gesellschaft wie der Webstuhl, die Bockmühle und vieles andere; mit dem Patriarchat haben sie nichts zu tun. (Sollten wir etwa heute auf das Weben von Kleidung verzichten?)
Sprache reagiert immer sensorisch auf die Bedürfnisse und Dynamiken einer Gesellschaft. Entsprechend gehen seit den 2000er-Jahren Unterstrich, Genderstern oder auch der Doppelpunkt diesen Weg und dabei noch einen Schritt weiter. Sie bilden die Geschlechtervielfalt ab, die es seit jeher gibt.
- Wenn Linguisten über Sprache sprechen, dann meinen sie entweder konkrete Sprechakte (parole, Performanz etc.) einzelner Sprecher oder das Sprachsystem (langue, register, Kompetenz etc.) einer Sprachgemeinschaft. Wenn das Sprachverhalten nur einer kleinen (sozial definierten) Gruppe wie der Sprachfeministen gemeint ist, spricht die Linguistik von Soziolekt. "Gendern" ist keine Erscheinung des deutschen Sprachsystemes insgesamt, sondern des Soziolekts einer ideologisch motivierten sozialen Bewegung.
- Unterstrich, Asterisk und Doppelpunkt sind seit Jahrzehnten auf Tastaturen zu finden, weil sie Bedeutungen abbilden, "die es seit jeher gibt"; "Geschlechtervielfalt" gehört nicht dazu.
Söders CSU verrät für mich die Freiheit und bläst in das gleiche Horn wie die AfD
- Auf dem Thema AfD reitet die Professorin drei Seiten lang herum und verrät dabei ihre unwissenschaftliche Denkweise: Das Kriterium für wissenschaftliche Erkenntnis, für richtig oder falsch ist bei ihr nicht die Logik, sondern wer etwas sagt. Man geht wohl nicht fehl in der Annahme, daß Aussagen der CSU schon vor dem Erscheinen der AFD "falsch" waren.
- Freiheit ist immer Freiheit der Andersdenkenden: Dieser Satz von Rosa Luxemburg verbietet nicht nur die Belästigung von Nichtrauchern durch Raucher, er mißbilligt auch die Belästigung normal sprechender Menschen durch Sprachideologen, die ihnen eine neue Sprache (neue Wörter und neue Bedeutungen gängiger Wörter) aufzwingen wollen. Freiheit ist zuallererst die Befreiung der Passivraucher und -genderer.
- Unwohl wird dem Kommantator bei der Vorstellung, wie Professorin Arndt lehrt und Prüfungen abnimmt.
Wer den Genderstern nicht überzeugend findet, braucht ihn ja nicht zu benutzen
- Auch Frau Arndt selbst weiß natürlich (wie jeder Sprachwissenschaftler), daß das eine Lüge ist: Sprache ist primär kein Code für Selbstgespräche und Tagebücher, sondern ein Mittel zur Kommunikation mit anderen Menschen; Kommunikation aber besteht nicht nur aus Sprechen und Schreiben, sondern ebenso aus Hören und Lesen, sie setzt also einen gemeinsamen Code voraus. Wer gendert, stört die Kommunikation, er will seine Gesprächspartner nötigen, Wörter und Sätze ihrer Sprache anders zu verstehen, als es üblich ist.
- "Gendern" an sich kann und soll nicht wirklich verboten werden: ebensowenig wie die Verwendung der chinesichen Sprache oder der Gebärdensprache. Es versteht sich aber doch wohl von selbst, daß man chinesisch nur mit Sprechern dieser Sprache spricht, Gebärdensprache mit Taubstummen ... und nur in seiner "Community" bzw. Genderblase "gendert".