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Rechtschreibreform: Aktuell
Extraseite: WDR: Die Akzeptanz des "Genderns" hat abgenommen (06.02.2023)

Gendern: *stunde der deutschen Sprache?
Doppelpunkt, Sternchen oder Sprechpause: Das aktive Gendern nervt die meisten. So das Ergebnis der WDR-Umfrage. Wie klingt gelungene Sprache für alle Geschlechter in Ihren Ohren? Diskutieren Sie mit im WDR 5 Tagesgespräch!
Beim gesprochenen Wort darauf achten, dass sich alle angesprochen fühlen, kommt nicht bei allen gut an. Und kann in der Berichterstattung sogar ein Abschalt-Faktor sein. Eine neue, repräsentative WDR-Umfrage zeigt: Mehr als ein Drittel der Menschen möchte nicht "Kolleginnen und Kollegen" im Radio hören.
Die Sprechpause beim gesprochenen Gender-Sternchen findet Anhänger und leidenschaftliche Ablehnung. Zwei Drittel der Befragten finden die geschlechtsneutrale Sprache allerdings gut oder sehr gut, und der Großteil nutzt sie auch selbst beim Reden oder Schreiben.
2020 wollten wir schon einmal wissen, wie Sie zur gendergerechten Sprache stehen. 38 Prozent sahen das Thema damals als wichtig oder sehr wichtig an, 2022 sind es ein weniger (36 Prozent). Und auch die Akzeptanz des Genderns in den Medien hat abgenommen. Auffällig ist, wie unterschiedlich die verschiedenen Stile der geschlechtergerechten Sprache ankommen. Satzzeichen wie Sternchen, Doppelpunkt oder Schrägstrich lehnen viele ab.
Auch Sprechpausen nerven laut Umfrage. 'Studierende' statt 'Studenten' oder 'Publikum' statt 'Zuschauer' – solche Formulierungen bekommen Zustimmung. Über das Wie der Formulierungen wird aber nicht nur in Redaktionen diskutiert, sondern auch in Verwaltungen und an Unis. Die ein oder andere Behörde hat klare Regeln, Zeitungen und Radiosender entscheiden individuell. [...]

Kommentar (im Anschluß an das "Tagesgespräch"):
Der einzige Gast des Moderators Achim Schmitz-Forte war Dr. Kathrin Kunkel-Razum (Leiterin der Dudenredaktion), die das "Gendern" mit missionarischem Eifer propagierte; ein Linguist, der die Gegenposition vertreten, zumindest die verschiedenen Ausprägungen des "Genderns" sprachwissenschaftlich ideologiefrei eingeordnet hätte, war nicht im Studio. Dabei hätte ein solcher Experte eine Annahme kritisieren und widerlegen können, in der sich Schmitz-Forte, Kunkel-Razum und auch einige Anrufer unausgesprochen einig waren: die unbegründete, aber als begründet vorausgesetzte Gleichsetzung des grammatischen Maskulinums mit dem biologisch männlichen Geschlecht. Aufschlußreich sind auch einige explizite Text-Aussagen:

geschlechtsneutrale Sprache, geschlechtergerechte Sprache
Die penetrante Bezeichnung der "Gender-Sprache" (bzw. der Varianten derselben) als "geschlechtergerecht", "geschlechtersensibel", "geschlechtsneutral", "geschlechterfair" etc. ist ein klassischer Fall von Framing und verfolgt das offensichtliche Ziel, den Begriff der Gerechtigkeit zugunsten des "Genderns" zu monopolisieren: "Gendern" sei 'gerecht', "Nicht-Gendern" folglich im Umkehrschluß 'ungerecht'. Der WDR zeigt damit erneut, daß er an einer neutralen, sachlichen Behandlung dieses Thema nicht interessiert ist.
Beim gesprochenen Wort darauf achten, dass sich alle angesprochen fühlen
Daß "sich alle angesprochen fühlen", das Bemühen darum wird nur dem "Gendern" zugeschrieben. Mit "Patienten", "Virologen", "Fahrgästen" etc. fühlen sich also laut WDR nur Männer angesprochen. Beide biologische Geschlechter der breiten Bevölkerungsmehrheit fühlen sich durch solche Bezeichnungen allerdings durchaus angesprochen.
2022 sind es ein weniger (36 Prozent)
Muß man "gendern" können, um das zu verstehen?
'Studierende' statt 'Studenten' oder 'Publikum' statt 'Zuschauer'
Studierende ist ein deutsches Partizip Präsens, das ein lateinisches Partizip Präsens, nämlich Studenten, ersetzen soll; soll der Nutzen darin liegen, daß das deutsche Partizip Präsens mit zwei Artikeln kompatibel ist, das lateinische aber nur mit einem? Und warum soll Publikum besser sein als Zuschauer? Wenn der Zuschauer gegenüber Frauen 'ungerecht' weil grammatisch männlich ist, dann muß doch das Publikum keines der beiden biologischen Geschlechter ansprechen. Die "Gender-Logik" funktioniert so: Das grammatisch feminine und (vor allem) das maskuline Genus sollen beide jeweils auch ein biologisches Geschlecht bezeichnen; das grammatisch neutrale Genus hingegen bezeichne zwar kein biologisches Geschlecht, könne aber dennoch z. B. Eigenschaft eines Publikums sein, das ja eigentlich durchaus aus Frauen und Männern besteht ...
    Logik-Probleme mit Studenten hatte auch eine Anruferin, die auf den Umstand verwies, daß in früheren Zeiten nur Männer zum Studium zugelassen und als Studenten bezeichnet wurden; Frauen seien deshalb "sichtbar" zu machen und nur mit Studierenden mitgemeint. Die meisten Studenten sind allerdings mittlerweile Frauen, und wenn tatsächlich Formen wie Studentin oder Studierende ihre Berufswahl und Karriere befördert haben, dann müßte in jenen früheren Zeiten Student die Berufswahl und Karriere von Männern befördert haben. Ein unvoreingenommener, unideologischer (linguistischer) Blick auf dieses vermeintliche Problem zeigt allerdings, daß Männer schlicht deshalb mit einem lateinischen Lehnwort (studens) als Studenten bezeichnet wurden, weil sie studierten; warum sollten wir das heute mit Frauen anders halten?


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