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"Rechtschreibreform": Trennung

1. st: -st/s-t

konventionellzwangsreformiert
Fen-ster · mei-stens · We-ste ·
Bau-stahl · Guß-stahl · Wach-stube
Fens-ter · meis-tens · Wes-te ·
Baus-tahl · Gusss-tahl · Wachs-tube

Der "alte" Duden empfiehlt einige Trennungsregeln, an die sich auch ältere Menschen oft noch gut erinnern können: "Trenne nie st, denn es tut ihm weh." Daß diese – zudem etwas kindisch formulierte – Regel nicht der gesprochenen Sprache entspricht, leuchtet sofort ein, wenn man sich etwa das Wort "Reste" einmal langsam vorspricht. Die neue Regel ist also teilweise durchaus sinnvoll, da es die Erlernbarkeit der Trennung und auch die Lesbarkeit so getrennter Wörter erleichtert. Das kann aber nicht für Komposita (zusammengesetzte Wörter) gelten: Wenn dem zweiten bedeutungstragenden Wort in der Folgezeile das Anfangs-s abhanden kommt, liest man nur noch Unsinn oder gar einen ganz anderen Begriff.

2. ck: k-k/-ck

konventionellzwangsreformiert
Bäk-ker · Ek-ke · Hak-ke(n) · Zuk-ker Bä-cker · E-cke · Ha-cke(n) · Zu-cker

Diese Regelung ist gleich aus zwei Gründen unlogisch bzw. – besser – inkonsistent:

  1. Läßt man jemanden den Bäcker in zwei Silben sprechen, so verharrt er bzw. sie oft genau auf dem [k], d. h. die Stimmritze wird für einen bewußt verlängerten Moment geschlossen gehalten, bevor sie sich explosionsartig öffnet. Diese Betonung des Glottals läßt sich nur durch Bäk-ker korrekt schriftlich zum Ausdruck bringen.
  2. Wo, in Ministers Namen, kommt in einer vereinfachten (!) Schreibweise von Bäcker, Hacke(n), Lackierer, Zucker etc. das c her? Wieso gibt es für einen Konsonanten, nämlich das [k], nach kurzem Vokal zwei verschiedene Buchstaben? Wenn ein nach kurzem Vokal folgender Konsonant zu verdoppeln ist, wieso ergibt sich dann bb, dd, ff, ll, mm, nn, pp, rr, ss, tt, aber ck? Hier hätte die Reform eine Vereinheitlichung vorschlagen (nicht verordnen) sollen, aber darum ging es ihr nicht.

3. Zusammensetzungen aus ganzen Wörtern (freien Morphemen)

konventionell zwangsreformiert weiterhin
her-ab · hin-auf · war-um he-rab · hi-nauf · wa-rum her-ab · hin-auf · war-um

Gegen diese Laisser-faire-Regel hat der Autor nichts einzuwenden: Der Schreiber kann selbst entscheiden, ob er Sprach- oder Sprechsilben trennen möchte. Keine Entscheidungsfreiheit ist allerdings angebracht, wenn – wie in Punkt 1 – nicht genau zwischen den Morphemen getrennt wird: eine Wach-stube ist nun mal etwas anderes als eine Wachs-tube.

4. Einzelbuchstabe am Anfang?

konventionellzwangsreformiert
Abend · aber · Ader · oder · Ofen A-bend · a-ber · A-der · o-der · O-fen

Diese Regel hat drei Aspekte, die teils ästhetisch, teils lesetechnisch zu beurteilen sind und eine Toleranz sehr erschweren:

  1. Sie bringt so gut wie nichts, da nur ein Buchstabe am Zeilenende gewonnen wird und dieser noch durch einen etwa gleichlangen Bindestrich ergänzt wird.
  2. Sie braucht nicht befolgt werden, denn man kann das betreffende Wort ja in der Folgezeile beginnen – solange man nicht seinem Textverarbeitungsprogramm zum Opfer fällt!
  3. Sie (bzw. der Leser) wird richtig ärgerlich, wenn es um zusammengesetzte Wörter (Komposita) geht: Abschlusse-xamen, alla-bendlich, ane-keln, ausu-fern, Berga-horn, Bibele-xemplar, Bilda-gentur, eini-geln, Esse-cke, Etatü-berschreitung, Grippee-pidemie, Maule-sel, Nachtü-bung, Prachte-xemplar, Pulsa-der, Radi-oa-mateur, Reisei-dylle, Renno-verall, Ruma-roma, Saunao-fen, Schlaga-der, Seee-lefant, Seei-gel, Spiele-cke, Spielo-per, tagsü-ber, späta-bends, tode-lend, Unterleibso-peration, Uro-ma, Uro-pa, Viele-he, vere-helichen, vere-lenden, Walda-meise, Winde-nergie ... Oft versteht man sie erst beim dritten Lesen!

5. Lehnwörter (fälschlich: Fremdwörter)

konventionell zwangsreformiert weiterhin
Chir-urg · He-li-ko-pter · Päd-ago-ge · par-al-lel Chi-rurg · He-li-kop-ter · Pä-da-go-ge · pa-ral-lel Chir-urg · He-li-ko-pter · Päd-ago-ge · par-al-lel

Diese Vereinfachung, die die richtige Trennung dem Votum der Schreibgemeinschaft unterwirft, ist zu begrüßen, da man weder von einem Schulanfänger noch von einem Erwachsenen ohne Latinum oder gar Graecum erwarten kann, daß er bzw. sie die Wortbestandteile unserer Lehnwörter kennt. Gleichzeitig schreibt die Reform aber zahlreiche Trennungen vor, die dem Silbensprechen nicht entsprechen:

6. Konsonant(en) zwischen Vokalen

"Steht in einfachen Wörtern zwischen Vokalbuchstaben ein einzelner Konsonantenbuchstabe, so kommt er bei der Trennung auf die neue Zeile.
Stehen mehrere Konsonantenbuchstaben dazwischen, so kommt nur der letzte auf die neue Zeile."

konventionellzwangsreformiert
beob-achten · ex-akt · Ex-amen beo-bachten · e-xakt · E-xamen
Ag-gression · Apo-stroph · Aristo-krat · Demo-krat · Demon-stration · ex-tra · Fa-brik · Indu-strie · in-frarot · kon-kret · Kon-trolle · mon-strös · Teen-ager Agg-ression · Apos-troph · Aristok-rat · Demok-rat · Demonst-ration · ext-ra · Fab-rik · Indust-rie · inf-rarot · konk-ret · Kont-rolle · monst-rös · Tee-nager

Diese Regel orientiert sich nicht an der üblichen Silbensprechweise, sondern geradezu gegen sie. Was bei der st-Regel (1) noch galt, ist hier teilweise wieder aufgehoben: Die Reformer demonst-rieren, wie man wenige gute Ansätze durch eine monst-röse Regel wieder zerstören kann. Ob sich Tee-nager damit abfinden werden?

Empfehlung

In einer demokratischen Rechtschreibreform könnte man eingeschränkt die Punkte 1, 3 und 5 zur Nachahmung empfehlen.

Hinweis: Wie einleitend erwähnt, werden hier die Regeln aus den Anfangsjahren, nicht möglicher späterer Revisionen der "Rechtschreibreform" besprochen.


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