Falsche Argumente für eine falsche Reform 2
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Umkehr  |
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Dieselben Argumente für und gegen die Einführung der Schreibreform gelten überwiegend auch für die Frage, ob man die Reform zurücknehmen und zur konventionellen Rechtschreibung zurückkehren solle:
6. Kritik: Wenn die Reformer ihre Kritiker vor Einführung der amtlichen Rechtsschreibung nicht wahrnehmen konnten bzw. wollten, so mußten sie seither zur Kenntnis nehmen, daß die Zwangsreform weiterhin konstant von ca. 75% des Wahlvolkes abgelehnt wird. Ist das eigentlich in einer Demokratie kein Grund, einen Fehler der Politiker (nicht des Volkes) sofort zu korrigieren?
9. Erlernbarkeit: Gerade unseren Kindern sei kurz nach der Einführung eine Rückkehr zur alten Schreibung und das damit einhergehende Chaos nicht zumutbar, hört man von scheinbar besorgten Politikern und Lobbyisten.
Polemisch formuliert: Nachdem das (Schul-) Kind also in den Brunnen gefallen ist, soll man es im eigenen Interesse dort liegen lassen.
Dagegen sprechen mehrere Argumente:
- Daß es Kinder mit der Schreibreform leichter hätten, ist, wie zu erwarten, längst widerlegt: Einige Fehler sind geblieben, andere konnten verringert werden, wieder andere kamen hinzu. Pädagogen und Sprachforscher berichten von mehr Fehlern als zuvor, und auch Untersuchungen einzelner Ausgaben von Tageszeitungen zeigen, daß nach Einführung der Reform und an ihren eigenen Regeln gemessen jetzt mehr Fehler vorkommen als früher. Eine Umkehr nutzt also vor allem den Kindern.
- Wenn eine Maßnahme nichts bringt oder gar mehr schadet als nützt, dann ist es unverantwortlich, alle früheren und vor allem alle noch kommenden Schulgenerationen mit dieser Maßnahme zu belasten und belästigen, nur um die wenigen Kinder der jetzigen Schulanfänger-Generation zu "schonen".
- Bisher galt die lernpsychologische Erkenntnis, daß Kinder leichter und schneller lernen als Erwachsene; nur so läßt sich ja rechtfertigen, daß sie neben den neuen Schreibregeln für ihren "passiven" (rezeptiven) Sprachschatz auch noch die alte Schreibweise lernen müssen, um auch "ältere", vor allem literarische Texte lesen zu können. Wieso sollten jetzt plötzlich Kinder überfordert sein, wenn sie nur noch mit einer Schreibweise konfrontiert wären?
Traurige Tatsache wäre nur, daß unsere Kinder nach einer Umkehr ihr schriftliches Ausdrucksvermögen quasi "doppelt" gelernt hätten. Dazu sind sie aber allemal eher in der Lage als ältere Erwachsene, und die Reformer selbst haben immer wieder darauf hingewiesen, daß nur ein kleiner Teil der Wörter von der Reform betroffen sei; das gilt dann auch für die Umkehr.
Was bliebe, wäre der Widerspruch im Verhalten der Erwachsenen, vor allem der Lehrer. Es wäre allerdings mehr als naiv anzunehmen, Sechs- und Siebenjährige hätten nicht längst auch in anderen Bereichen ihre Erfahrungen mit der in sich widersprüchlichen Erwachsenenwelt gesammelt.
- Es darf das heuchlerische Argument vor allem der politischen Reformer nicht fehlen, die Kinder müßten so schreiben lernen, wie sie in der Tagespresse lesen
. Tatsache ist, daß die meisten Zeitungen ihre Schreibweise an die Reform angepaßt haben aber eben nicht umgekehrt, denn die amtliche Norm wurde von Politikern gesetzt und nicht an irgendeine Praxis angepaßt. Wenn also der Staat die Reformschreibung aufgibt, werden sich die Verlage sehr schnell erneut anpassen.
11. Einheitlichkeit: Dies ist ein echtes "Totschlagargument": Nachdem man mittlerweile in Schulen der Reform ein paar Jahre lang Zwangsgeltung verschafft und eine willfährige Presse zum Mitmachen genötigt hat, wollen die Ministerpräsidenten und Kultusminister nun ihren Beamten und den Schülern keine Rückkehr zu den alten Regeln mehr "zumuten", um sie nicht mit einer uneinheitlichen Orthographie zu konfrontieren. Die Verlage spielen den Ball geheuchelt zurück: Man wolle eine einheitliche Schreibung ebenfalls nicht torpedieren und die neue Schreibung beibehalten, solange sie an Schulen gelehrt werde ... Was dabei unterschlagen wird:
- Auch Schüler(innen), die seit kurzem die zwangsreformierte Schreibung lernen müssen, werden weiterhin auch in der Schule mit der konventionellen Rechtschreibung konfrontiert: Literarische Texte werden vor allem im Deutsch- und Geschichtsunterricht natürlich im Original gelesen, und alle Zitate werden ebenfalls nicht umgeschrieben! Unsere Kinder wachsen zwei(schrift)sprachig auf.
- Arbeitnehmer des öffentlichen Dienstes tun sich ohnehin leichter mit der konventionellen Schreibweise und wünschen sich diese ebenso wie die übrige Bevölkerung zurück.
- Zerstört wurde die Einheitlichkeit der Schreibung von den Kultus- und Innenministern gegen die überwältigende Mehrheit des Volkes; es wäre an eben diesem Personenkreis, die Einheitlichkeit wiederherzustellen. Sobald die Politik dem mehrheitlichen Wunsch der Bürger Rechnung trüge, würden sich die Verlage sehr schnell an die neue alte Rechtschreibung anpassen schon aus wirtschaftlichem Interesse.
- Umgekehrt haben es die Verlage wenn auch nur indirekt selbst in der Hand, die Reform zu kippen und die konventionelle Rechtschreibung wiederherzustellen: Angesichts der ungebrochenen Ablehnung der Reform und der niederschmetternden Analyseergebnisse des amtlichen Regelwerkes und seiner Umsetzung in Schulen und Verlagen besteht das Hauptargument der Kultusminister zuletzt darin, auf die Praxis der deutschen Presse zu verweisen.
12. Investitionsschutz:
- Nachdem man die berechtigte Kritik an der Reform und ihre weiterhin übergroße Ablehnung durch die Bevölkerung ein paar Jahre lang ausgesessen hat, "kann" man nun erst recht nicht mehr zurück, ohne daß riesige finanzielle and andere Aufwendungen anfielen.
Tatsache ist allerdings, daß diese Kosten und anderen Probleme auf keinen Fall größer wären als die während der Einführung der reformierten Schreibung ganz im Gegenteil: Ein Umlernen ist nicht erforderlich, da alle Mitarbeiter der Verlage die alte Rechtschreibung schon beherrschen, und die Druckplatten oder Dateien sind ebenso vorhanden wie Rechtschreibprogramme für die alte Schreibung. Der Aufwand wäre also deutlich geringer!
- Die Umstellung auf Schulschreibung war und ist nach gerichtlicher Entscheidung freiwillig und allein unternehmerisches Risko.
- Im übrigen: Sollte der wirtschaftliche Nutzen oder Schaden einiger weniger Verlage den Nutzen oder Schaden einer Schreibweise für die gesamte Bevölkerung bestimmen dürfen?
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