Rechtschreibreform: Was tun? Tips

Was tun? Einführung · 10 Maximen · Tips · Lautschrift?

Was tun? Tips für den Widerstand

Was tun, wenn die meisten Zeitungs- und Zeitschriftenverlage stur an der Reform festhalten und das Volk zu erziehen versuchen, wenn der Duden in der geschätzten 20. Auflage nicht mehr erhältlich ist, wenn täglich Werbebriefe in amtlicher Rechtsschreibung im Briefkasten liegen?

Standfestigkeit: Das Wichtigste ist: sich selber nicht beirren lassen, also unbeirrt und selbstbewußt an der richtigen Schreibweise festhalten: Manche obrigkeitshörigen Zeitgenossen wollen ihren Mitmenschen weismachen, daß die "alte" Rechtschreibung nur etwas für "alte Knacker" sei; Modernität beweise sich in einer fortschrittlichen, "neuen" Schreibung, man müsse "aktuell" sein und "nicht den Zug der Zeit verpassen". Dem sollte man ein positives schriftliches Vorbild entgegensetzen. Achtung: Häufige falsche Schreibweisen irritieren auch geübte Schreiber und können sie an einer richtigen Schreibweise zweifeln lassen: Wer z. B. immer wieder ein Wort mit doppeltem s statt ß liest, weiß möglicherweise bald nicht mehr, ob dies eine Folge der Reform ist oder immer schon so war, und die vielen doppelt falschen Schreibungen aufgrund von Überanpassungen ("Grüsse") tun ein übriges.

Zivilcourage: Wichtig ist auch, sich im privaten und öffentlich Umfeld, etwa in Vereinen, für die konventionelle, also richtige Schreibung einzusetzen: Man stößt bei Vorsitzenden, Protokollanten, Kassenwarten etc. schneller, als einem lieb ist, auf Mitläufer und Anpasser, die sich im vorauseilenden Gehorsam gegenüber der Obrigkeit als Avantgardisten moderner Schreibung profilieren wollen. Eine Argumentation gegen die Reform und das konsequente Beharren auf der konventionellen Schreibung haben dabei nichts mit Intoleranz zu tun: Es sind die Reformer, nicht ihre Kritiker, die die Reform gegen eine überwältigende Mehrheit unserer schreibenden Bevölkerung mit staatlichen Zwangsmitteln durchzusetzen trachten; und richtig ist eine Schreibung gerade deshalb, weil sie konventionell ist. Sie beruht nämlich auf einer Konvention: einer stillschweigenden oder gar ausdrücklichen 'Übereinkunft' der deutsch schreibenden Bevölkerung.

Abonnements, Mitgliedschaften: Wenn Argumente gegenüber Redaktionen und Vorständen nicht fruchten, hilft notfalls die Kündigung – zumindest dem Abonnenten bzw. Mitglied: Es haben keineswegs alle Zeitschriften und Zeitungen auf die Amtsschreibung umgestellt, man sollte sich einmal umschauen, ob z. B. nicht ein in deutscher Rechtschreibung gedrucktes Natur- und Wissenschaftsmagazin (etwa das Bild der Wissenschaft) auch die Informationen liefern kann, die man bislang z. B. vom Geo-Magazin bekam, und mancher kleinere und bislang weniger bedeutende Verein ist sicher dankbar für ein neues engagiertes Mitglied!

Mailings: In Zeiten des aggressiven Marketings werden die Bürger entsprechend ihrem Kundenprofil mit Werbebriefen von Firmen und selbst politischen Parteien geradezu bombardiert. Die meisten dieser unerbetenen Werbesendungen wandern kaum gelesen in den Papierkorb, man kann sie aber auch an den Absender zurückschicken ("Annahme verweigert" – "Zurück an Absender"). Mailings in falscher Schreibweise sollte man mit einem entsprechenden Vermerk (etwa: "Bitte richtig schreiben!" oder "Kein Analphabetentum bitte!" oder "Analphabet oder Mitläufer?") auf jeden Fall zurückschicken.

eMails: Mit eMails sollte man ähnlich verfahren. Anstatt auf den Inhalt der eMail einzugehen, kann man eine vorformulierte Standard-Antwort wie die folgende zurücksenden:

Sie erhalten diese Antwort, weil Sie eine eMail in zwangsreformierter Schulschreibung ("dass", "muss", "Missstand" etc.) verschickt haben, die von der deutschsprachigen Bevölkerung mehrheitlich abgelehnt wird und daher falsch ist. Ihre eMail wurde spätestens nach dem zweiten Rechtschreibfehler ungelesen gelöscht. Wenn Sie mir etwas mitteilen möchten, können Sie dies sehr gerne in konventioneller Rechtschreibung tun. In Erwartung Ihrer eMail, ...

Antwortschreiben: Ist es notwendig, auf ein "reformiertes" Schreiben zu antworten, sollte man im Bezug auf dieses Schreiben grundsätzlich auf die Falschschreibung verweisen ("Ihr fehlerhaftes Schreiben vom ...", "Ihr Schreiben ... in amtlicher Falschschreibung"); anschließend kann man zusätzlich in seiner Hausschreibung (siehe auch Lautschrift) antworten und dem Schreiber damit vor Augen führen, was man davon hält, einen Brief in einer Schreibweise lesen zu müssen, die vorsätzlich von der Norm abweicht. Wem falsch geschrieben wird, der sollte auch falsch antworten.
Möglichkeiten einer persönlichen "Hausschreibung" sind z. B. die grundsätzliche oder gemäßigte Kleinschreibung, ai statt ei ("Ihr Schraiben vom ..."), grundsätzlich ß für das stimmlose [s] ("Dieses Laßter müßßen wir bekämpfen ..."), die einfache, nicht doppelte Schreibung von Konsonanten ("Ich wolte Ihnen miteilen ...") oder die Verdoppelung langer Vokale ("Ich leese Iir Schreiben nuur ungern ...") oder Kombinationen solcher Regeln. Der Leser wird seine Freude daran haben.

Formulare: Wenn eine Firma einem Kunden ein schreibreformiertes Formular zur Unterschrift vorlegt, sieht sich dieser in der Situation, seinen Willen mit einem Text kundtun zu sollen, der nicht dem realen Rechtschreibstandard entspricht: Ihm soll eine Schreibweise als die eigene aufgedrängt werden, die eben nicht seine eigene ist. In solchen Fällen sollte man sich nicht scheuen, ein fehlerfreies Formular bzw. Vertragsschreiben zu verlangen oder die Fehler, die beim Durchlesen auffallen, handschriftlich zu korrigieren.

Richtig verstehen: Nicht nur weiterhin richtig schreiben sollte man, sondern auch richtig verstehen: Die Schulschreibung ist an vielen Stellen zweideutig, wie die "Rätselecke" ( Regeln) beweist. Wichtig ist, nicht darüber zu spekulieren, was der Schreiber gemeint haben mag – zumal man sich nie sicher sein kann, welcher der vielen "Reform"-Varianten er zuneigt und ob er diese überhaupt "richtig" beherrscht. Man sollte vielmehr immer von der Bedeutung ausgehen, die der konventionellen Schreibung entspricht, also z. B. "Tippfehler" als 'Schreibfehler', nicht als 'falsche Empfehlung' und "wohl bekannt" als 'vermutlich bekannt', nicht als 'gut bekannt' interpretieren – wer falsch schreibt, wird eben unter Umständen auch falsch verstanden.
Ein Sonderfall ist das persönliche bzw. vertrauliche Anredepronomen in Grund- und Possessivform, Singular und Plural (Du, Dein, Euch, Euer), das in Briefen, Erlassen, Fragebögen, Grabinschriften, Mitteilungen etc. bekanntlich höflich großgeschrieben wird. Einem Arbeitskollegen etwas schriftlich per kleinem, unpersönlichem du mitzuteilen, stellt eine dumme oder bewußte Herabwürdigung dar, die man sich verbitten sollte – schließlich würde man sich auch kein Schimpfwort gefallen lassen, wenn ein Kultusminister dieses für erlaubt erklärte. Falls die Beleidigung anhält, reicht es, das anonyme du wörtlich zu nehmen und weitere dieser Schreiben an Anonym zu ignorieren. Alternativ kann man den Kollegen bzw. die Kollegin künftig siezen, allerdings mit klein geschriebenen Anrede-Pronomen: "Entsprechend ihrer Bitte übersende ihnen den aktuellen Katalog ... Bitte beachten sie ..."

Richtig (vor)lesen: Die Buchstabenschrift der westlichen Welt ist nicht nur ein mehr oder weniger unvollkommenes Abbild der gesprochenen Sprache – die Aussprache der Wörter ist umgekehrt auch Ausdruck der gelesenen Schrift, denn diese gibt etwa mit den Längungsbuchstaben h und e bzw. der Vokalverdopplung (Lehre – Leere, sich – siechen) oder der Getrennt- oder Zusammenschreibung dem Leser wichtige Signale für die richtige Aussprache.
Solche konventionellen Paarungen von Schrift und Aussprache versucht die Schulschreibung vor allem durch verordnete Getrenntschreibung mutwillig zu zerstören: Eine Falschaussage "richtigstellen" z. B. soll nun ebenso getrennt geschrieben werden wie einen Schrank 'auf richtige Weise', also "richtig stellen", aber dennoch weiterhin auf der ersten Silbe des ersten Wortes betont werden, obwohl die Getrenntschreibung konventionell die adverbiale (modale, nicht resultative) Funktion von "richtig" und den Hauptton auf "stellen" dokumentiert. Dem sollte man sich bewußt widersetzen und dem zweiten Wort ("stellen") den Hauptton geben, auch gegen den Protest besserwisserischer Mitläufer.

Der richtige Duden: Seit Einführung der zwangsreformierten Schulschreibung bieten die traditionellen Wörterbuchverlage nur noch reformierte Wörterbücher an; dem (zum Glück nicht mehr) schulpflichtigen Bürger werden so deskriptive Rechtschreib-Wörterbücher bewußt vorenthalten. Doch es gibt zwei Wege, sich zu wehren: Der "Duden" hat einen würdigen deskriptiven Nachfolger gefunden: den "Ickler", der die bewährte deutsche Rechtschreibung fortschreibt; und zur Not kann man auch ein reformiertes Wörterbuch nehmen, wenn die "neuen" Schreibungen dort, wie üblich, rot gekennzeichnet sind: Diese Warnfarbe zeigt unmißverständlich an, wie man das betreffende Wort nicht schreiben sollte ...

Elternschicksal: Eltern haben es besonders schwer: Einerseits haben die Gerichte bis hin zum Bundesverfassungsgericht immer wieder behauptet, die Reform sei nur für die Schulen verbindlich, nicht aber für Privatleute; andererseits sehen sich diese, wenn sie schulpflichtige Kinder haben, einem deutlichen staatlichen Zwang ausgesetzt: Sie müssen ihnen zwangsreformierte Schulbücher kaufen, sie müssen mit ansehen, wie ihre Kinder mit der falschen Schreibweise aufwachsen, und sehen sich genötigt, ihnen die übliche elterliche Hausaufgabenhilfe zukommen zu lassen, die wiederum von Erziehungsberechtigten verlangt, zuerst sich selbst und dann den eigenen Kindern die falsche Schreibweise beizubringen.
Ein Ausweg kann hier nur darin bestehen, gegenüber der Schule seinen Unwillen Ausdruck zu bringen und auf Landes- wie Bundesebene Elternvertreter und Politiker zu überzeugen.

Zwei Seelen in der Beamtenbrust: Nicht leicht haben es auch die Beamten – zumindest in Sachen Rechtschreibung: Der Dienstherr wünscht die amtliche Rechtsschreibung. Allerdings sind solche Wünsche nie mehr als unverbindliche Soll-Bestimmungen, denn das Bundesverfassungsgericht hat am 14.07.1998 eindeutig entschieden:
Soweit dieser Regelung rechtliche Verbindlichkeit zukommt, ist diese auf den Bereich der Schulen beschränkt. Personen außerhalb dieses Bereichs sind rechtlich nicht gehalten, die neuen Rechtschreibregeln zu beachten und die reformierte Schreibung zu verwenden. Sie sind vielmehr frei, wie bisher zu schreiben. Auch durch die faktische Breitenwirkung, die die Reform voraussichtlich entfaltet, werden sie daran nicht gehindert.

Drei Verhaltensweisen sind deshalb richtig und wichtig:
1. sollte man jeglichen Versuch der Nötigung, Schulschreibung zu übernehmen, als unzulässige "Kompetenzarrogation" zurückweisen. Das Bundesverfassungsgericht hat den behördlichen Schriftgebrauch in seiner Entscheidung nicht einmal behandelt.
2. sollte man sich, falls man den Druck nicht glaubt aushalten zu können, dennoch unter keinen Umständen von Reformregeln, die die Ausdrucksfähigkeit der Schriftsprache beeinträchtigen – hier insbesondere der reformierten Getrenntschreibung, Kleinschreibung und Zeichensetzung –, zu einer anderen als der gewohnten Ausdrucksweise verleiten lassen, etwa um Doppeldeutigkeiten zu vermeiden: Es ist allein Sache des Dienstherrn, wenn eine schriftliche Aussage durch ihre Reformierung unpräzise wird. Und man sollte den Kraftaufwand nicht scheuen, die richtige Schreibung im Privatleben konsequent beizubehalten.
3. sollten Lehrer, die die zwangsreformierte Schulschreibung unterrichten sollen, diese immer als sprachwissenschaftlich falsch kennzeichnen – was sich in einer Linguistik-Reihe spätestens in der Oberstufe gut demonstrieren läßt – und zudem überlegen, ob sie dagegen nicht wegen Beschränkung der verfassungsrechtlich garantierten Freiheit der Lehre klagen sollten.

Bürgerantrag: Die reformierte Rechtschreibung in den öffentlichen Verwaltungen betrifft nicht nur deren Bedienstete, sondern auch die Bürger, die mit falsch geschrieben Texten konfrontiert werden – etwa Formularen mit dem Feld "Allein stehend". In einer Demokratie sollte aber selbstverstänflich sein, daß die Führung und Verwaltung einer Stadt dieselbe Sprache spricht und schreibt wie ihre Bürger. Man kann und sollte sich also für eine Rückkehr der örtlichen Stadtverwaltung zur bewährten, konventionellen Rechtschreibung einsetzen. Daß diese möglich ist, hat die Stadt Braunschweig vorgemacht: Dort hat der Oberbürgermeister Anfang September 2004 diese Rückkehr durchgesetzt.
In Nordrhein-Westfalen z. B. bestimmt die Gemeindeordnung in § 24, daß sich jeder Bürger schriftlich mit Anregungen oder Beschwerden in Angelegenheiten der Gemeinde an den Stadtrat wenden kann.

§ 24 Anregungen und Beschwerden

(1) Jeder hat das Recht, sich einzeln oder in Gemeinschaft mit anderen schriftlich mit Anregungen oder Beschwerden in Angelegenheiten der Gemeinde an den Rat oder die Bezirksvertretung zu wenden. Die Zuständigkeiten der Ausschüsse, der Bezirksvertretungen und des Bürgermeisters werden hierdurch nicht berührt. Die Erledigung von Anregungen und Beschwerden kann der Rat einem Ausschuß übertragen. Der Antragsteller ist über die Stellungnahme zu den Anregungen und Beschwerden zu unterrichten. (2) Die näheren Einzelheiten regelt die Hauptsatzung.

Diese Bestimmung kann man nutzen, um die Rückkehr zur deutschen Rechtschreibung anzuregen – z. B. mit diesem Beschlußvorschlag:

Die Stadtverwaltung kehrt zur konventionellen deutschen Rechtschreibung zurück, wie sie vor der sogenannten Rechtschreibreform auch an Schulen gültig war und von der Bevölkerung weiterhin mehrheitlich bevorzugt wird.

Bürger anderer Bundesländer sollten in den dortigen Gemeindeordnungen nach einem entsprechenden Paragraphen suchen oder auch ohne Bezug auf eine gesetzliche Bestimmung tätig werden.

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