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"Rechtschreibreform": neuer Bindestrich

1. Bindestrich nach Ziffern

konventionellzwangsreformiert
8jährig · 8mal · 8prozentig · 100stelsekunde ·
100fach · 80er Jahre
8-jährig · 8-mal · 8-prozentig · 100stel-Sekunde · weiterhin: 100fach · 80er Jahre und  80er-Jahre

Der "alte" Duden (20. Auflage) bestimmt in der letzten seiner 212 Regeln:

Ableitungen, die eine Zahl enthalten, werden zusammengeschrieben, unabhängig davon, ob die Zahl in Buchstaben oder in Ziffern geschrieben wird. Das gilt auch für Zusammensetzungen (vgl. auch R 43).

Demgegenüber sagt die "alte" Regel 37:

Ein Bindestrich steht in Zusammenhang mit einzelnen Buchstaben und Formelzeichen.
[...]
Dies gilt auch für Ableitungen.
n-fach, 2π-fach, n-tel, x-te (aber: 8fach, 32stel, 5%ig; vgl. R 212)

Folglich sollte man nicht nur z. B. "achtfach" schreiben, sondern auch: "8fach", "8mal", "14karätig", "90er Jahre". Das Problem mit dieser Schreibung war und ist, daß eine kurze, meist einstellige Zahl vor einer Buchstabenfolge manchmal als unschön empfunden wird ("2prozentig"). Die Folge war, daß im Deutschen schon seit langem manchmal Zahl-Buchstaben-Kombinationen durch Bindestrich getrennt bzw. verbunden wurden. Insofern wäre die neue Regel, wenn sie eine Kann-Bestimmung wäre, nur die Bestätigung einer schon teilweise (!) geübten Praxis, also im wissenschaftlichen Sinne deskriptiv für eine Minderheitsschreibung und somit zu akzeptieren.

Das Problem mit der neuen Regel ist aber, daß sie die zweifache Schreibung solcher Kombinationen (mal zusammen, mal mit Bindestrich) keineswegs aufhebt, sondern nur eine neue Grenze zwischen Bindestrich einerseits und Zusammenschreibung andererseits einführt: Jetzt sollen Zusammensetzungen mit Eigenschaftswörtern zwar durch Bindestrich getrennt (bzw. wieder verbunden) werden, die 68er Generation und die 20fache Wiederholung bleiben aber weiterhin ohne verbindenden Strich verbunden, weil hier eine Zahl mit einer unselbständigen Endung (einem gebundenen Morphem) verbunden sei. Ist das wirklich logischer, kann man sich das wirklich besser merken? Weiß ein Laie, was eine "unselbständige Endung" ist?
    Als ob diese Regel noch nicht genug wäre, soll außerdem etwa der Achtjährige zwar 8-jährig sein, aber ein 8-Jähriger: Weil sich eine Ziffer nun mal nicht groß schreiben läßt, soll statt der 8 ersatzweise jetzt der dem Bindestrich folgende Buchstabe groß geschrieben werden! Diese "einfache" (um nicht zu sagen "einfältige") Lösung eines selbstverschuldeten Problems mag ein mitleidiges Kopfschütteln oder Lachen provozieren, zumal dann eigentlich auch der acht-Jährige erlaubt sein müßte, ebenso wie ein-Spänner, zwei-Spänner und vier-Spänner — doch es kommt noch "dicker":
    Der Bindestrich wird mit Recht als graphische Verbindung zweier Wörter empfunden, wobei das erste Wort attributiv zum zweiten gebraucht wird: Eine Zahl-Buchstaben-Kombinationen wird als ein bestimmter Typ von Kombination verstanden, eine Kann-Bestimmung als eine bestimmte Art von Bestimmung und eine Rechtschreib-Reform als eine bestimmte Reformart. Wer Sprache bewußt denkt und empfindet, muß also den 8-Jährigen als einen bestimmten "Jährigen" und den 2-Spänner als einen bestimmten "Spänner" verstehen. Nur: Was ist ein "Jähriger", was ein "Spänner"? (Hier waren wohl "Spinner" am Werke ...)

Zu welch kuriosen Schreibungen der verordnete Bindestrich führt, zeigt ein Beispiel aus einem schon zitierten Bienenbuch: "Käfigversuche mit weitmaschiger Gaze ergaben unter den Käfigen mit Honigbienenbeflug gegenüber Käfigparzellen ohne Honigbienen 2,7–30-fache Erträge." Tatsächlich meinten die Autoren ′2,7- bis 30fache Erträge′, wobei der Bindestrich das fache ersetzt: 2,7fache bis 30fache Erträge. Wenn man das bis korrekt durch den (längeren) Streckenstrich (siehe unten: Ergänzung) ersetzte, müßte dieser dem Bindestrich unmittelbar folgen, was einen unangemessen langen Strich (fast einen Gedankenstrich: 2,7-–30fache) ergeben würde; also läßt man den Bindestrich weg. Die "reformierte" Schreibung zaubert den Bindestrich jetzt wieder hervor, aber erst nach der zweiten Zahl!

2. Bindestrich bei Komposita

Eine Folge der verstärkten etymologischen Schreibung sind zwei oder gar drei Buchstaben hintereinander. Ein Problem, das bislang schon bestanden hatte (Druck-Erzeugnis – Drucker-Zeugnis), wurde dadurch verstärkt bzw. in der ästhetischen Dimension neu geschaffen. Diesem "Missstand" versucht die "Reform" durch die Empfehlung zu begegnen, den "Miss-Stand" durch einen trennenden Bindestrich zu lindern; beseitigt werden soll er ja nicht.

3. Bindestrich bei Lehnwörtern

4. Bindestrich bei Getrennt- bzw. Zusammenschreibung

5. Empfehlung

Ich halte eine einheitliche und daher übersichtliche Regelung weiterhin für die beste: Zwischen einem Zahlwort und einem angehängten Wortteil sollte ebensowenig ein Bindestrich stehen wie zwischen einer Zahl und einem angehängten Wort. Besonders unsinnige Schreibweisen wie die 6-Jährige sollte jeder gebildete Mensch vermeiden.
    Als wirklich unschön empfinde ich nur die 100stelsekunde. Wörterbücher bzw. Grammatiken sollten dem faktischen Gebrauch folgend aber beide Schreibweisen dokumentieren und damit "erlauben".


6. Ergänzung: Binde-, Bis-, Gedankenstrich

Noch ein Hinweis für alle, die richtig schreiben wollen: Ein eindeutig falscher Gebrauch des Bindestrichs, der in den vom Computer gezeichneten letzten Jahren stark zugenommen hat, besteht darin, ihn nicht verbindend, sondern als Strecken-, Bis- bzw. Gegen-Strich oder als Gedanken- oder Spiegelstrich zu ge- bzw. mißbrauchen:

Ein "Geviert" bezeichnet in der Typographie das Quadrat (= Geviert) der Höhe der Lettern bzw. des Schriftkegels, laienhaft ausgedrückt also der Buchstaben einschließlich ihrer Unterlängen plus ihres Abstandes (Durchschusses) zur nächsten Zeile. Ein "Geviertstrich" ist also genau so lang wie die Höhe der Lettern bzw. der Mindestzeilenabstand (Buchstabenunterkante bis -unterkante bzw. Buchstabenoberkante bis -oberkante).
    Anders als die Schreibmaschine bietet der Computer die Chance, die Längen der meisten Striche typographisch korrekt darzustellen: Im bekannten Schreibprogramm Microsoft WORD etwa läßt sich der "Halbgeviertstrich" durch das gleichzeitige Drücken der Strg- und Minustaste auf dem numerischen Block erzeugen und der "Geviertstrich" durch Strg+Alt+Minus. Ein etwas umständlicherer Weg führt über die Menüleiste (Einfügen | Symbol...). In HTML wird der "Halbgeviertstrich" durch – bzw. – kodiert, der "Geviertstrich" durch — bzw. — und das Minuszeichen korrekt mit − bzw. −.
    Das oben erwähnte "geschützte Leerzeichen" wird in Microsoft WORD durch das gleichzeitige Drücken der Strg-, Umschalt- und Leertaste erzeugt und in HTML durch   kodiert.

Hinweis: Wie einleitend erwähnt, werden hier die Regeln aus den Anfangsjahren, nicht möglicher späterer Revisionen der "Rechtschreibreform" besprochen.


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