Zum Frameset "Rechtschreibung & RSR"

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Am 04.10.2011 veröffentlichte die Wiener Zeitung die folgende "Glosse", deren letzte Absätze redundant waren. Am 15.06.2012 folgte der Leserbrief Leserbrief des Autors:

Sedlaczek am Mittwoch

Nichts als Ärger mit dem ß!

Von Robert Sedlaczek
Aber was kann der Buchstabe dafür? Schuld sind die Menschen. Und dass Schüler verwirrt sind, ist verständlich.

Seit der Rechtschreibreform gilt eine einfache Regel: Wir schreiben Fuß, aber Fass. Bei Fuß wird der Vokal lang ausgesprochen, daher ß. Bei Fass kurz, daher ss. Ich könnte nun mehrere Seiten über die Geschichte des scharfen S schreiben, aber das führt zu nichts. Ein Faktum ist, dass viele mit der s-Schreibung ihre liebe Not haben. Dabei wollten es die Reformer ja nicht nur den Schülern, sondern uns allen leichter machen.

Der Leipziger Lernpsychologe Harald Marx hat die Rechtschreibleistungen von Grundschulkindern vor und nach der Reform verglichen – Grundschule, das entspricht unserer Volksschule. Harald Marx konstatiert, dass die Fehler im Bereich s-Laut-Schreibung seit der Reform deutlich zugenommen haben. Dies könne aber auch daran liegen, dass die Schüler außerhalb der Schule oft in Kontakt mit der inzwischen überholten Rechtschreibung kommen.

Es ist in der Tat ein Ärgernis. Zwar wird man von den Verantwortlichen der Gemeinde Wien nicht verlangen, dass sie von heute auf morgen um viel Geld all jene Straßenschilder erneuern, auf denen ein altes ß steht und wo ein neues ss hingehört. So lese ich zwangsläufig Tag für Tag auf dem Nachhauseweg "Schönbrunner Schloßstraße", obwohl doch schon längst aus dem Schloß ein Schloss geworden ist. Nur die Straße ist weiterhin eine Straße.

Von dieser Straße ist es nicht weit zum Schloss Schönbrunn. Hier verhalten sich die republikanischen Nachlassverwalter der Habsburgerpracht wie trotzige kleine Kinder. Sie beharren auf der nicht mehr gültigen Schreibung "Schloß Schönbrunn" – nicht nur auf Tafeln, bei jeder Namensnennung: auf Foldern, im Internet, überall. Sozusagen als Markenzeichen für ihr Schloss.

Mir tut inzwischen die Schreibung Schloß in den Augen weh. Das ß legt ja nahe, dass es sich um ein langes, ein gedehntes o handelt. Wer spricht das Wort so aus? Nur in einigen Mundarten geht das . ..
[...]

Leserbrief in der Wiener Zeitung: Hans-Jürgen Martin
15.06.2012
23:24

Das "Schloß Schönbrunn" ist eindeutig ein Eigenname und laut Regelwerk als solcher gar nicht von der sogenannten Rechtschreibreform betroffen. Nur dem Eigentümer selbst gehört sein Name. Die blindwütige Umbenennung von Straßen und Gebäuden (u. a. in "Strassen" und meist auf Kosten der Steuerzahler) stellt einen vorauseilenden Gehorsam dar, der mißtrauisch machen sollte; wann sind auch Familiennamen von Menschen an der Reihe?
Rechtfertigen müssen sich doch wohl die Zeitgenossen, die gegen den Volkswillen etwas ändern – nicht die Menschen, die an einer gewachsenen Sprachtradition festhalten.
Die Behauptung, das "ß" lege nahe, daß es sich um ein langes, ein gedehntes "o" handele, geht zudem von der irrigen Annahme aus, die Aussprache habe sich an der Schreibung orientiert bzw. zu orientieren. Immer dann, wenn für eine Sprache ein Schriftsystem erfunden wurde oder wird, orientiert sich die Schreibung (zunächst) an der Lautung. Umgekehrt ist es nur, wenn kleine Kinder oder Ausländer schreiben lernen – und einige wenige lernen es tatsächlich nie, wie man sieht.

Robert Sedlaczek gehört offensichtlich zu den hyperkorrekten Mitmenschen, die sich nicht mit der strikten Befolgung auch unsinniger Regeln zufrieden geben, sondern glauben, sie auf Bereiche ausdehnen zu müssen, wo ihre Erfinder sie gar nicht angewendet sehen wollten. Haben wir nicht genug Mitläufer – brauchen wir auch noch vorauseilende Vollstrecker?


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